Im Alltag trägt sie so gut wie jeder am Handgelenk: die Rede ist von der Armbanduhr. Doch was wir heute als ganz selbstverständlich ansehen, nämlich die Möglichkeit immer und überall die Uhrzeit abrufen zu können, war vor rund 200 Jahren noch kaum vorstellbar. Kein Wunder also, dass die allererste Armbanduhr einer wahren Sensation glich.
Eine kleine Geschichte der Zeit: Die Entwicklung der Uhr
Wie sah eigentlich die erste Uhr der Welt aus? Was war der Grundstein für unsere heutigen präzisen Zeitmesser, die nicht nur unter Wasser funktionieren, sondern zum Teil sogar im Weltall?
Schon bevor wir um die Uhrzeit zu erfahren einfach auf unser Handgelenk schauen konnten, hatten die Menschen eine Möglichkeit die Zeit zu messen. Statt Instrumente zu nutzen, orientierte man sich dafür allerdings an die größte astronomische Uhr, die uns zur Verfügung steht: die Sonne. Zeitpunkte wie der Sonnenauf- und Untergang, sowie der höchste Stand am Mittagshimmel strukturierten den Tag. Auch in der Nacht gab es dank des Mondes zeitliche Fixpunkte.
Da man sich also bereits an der Sonne orientierte, lag die Erfindung einer Sonnenuhr fast schon auf der Hand. Bei einer Sonnenuhr handelt es sich im Prinzip lediglich um einen simplen Stock, der im Laufe des Tages einen Schatten in eine bestimmte Richtung wirft – weshalb das Instrument auch als Schattenstab bekannt ist – und es so möglich ist auf einer runden Fläche, je nach Schattenlage, die Tageszeit abzulesen. Die kreisrunde Form der antiken Sonnenuhr prägt bis heute das Aussehen moderner Uhren.
Doch genauso offensichtlich wie die Erfindung einer Sonnenuhr war, so offensichtlich ist auch das Problem dieses Zeitmessers: sie ist nämlich komplett abhängig von der Sonne. Erste Unabhängigkeit vom Tageslicht brachte die Wasseruhr. Dafür ließ man ein mit Wasser gefülltes Gefäß kontinuierlich leer laufen. Der Füllstand ist in dem Fall ein Maß für die Uhrzeit: Die bis heute übliche Redewendung “die Zeit ist abgelaufen”, geht auf die frühere Nutzung dieser Wasseruhren zurück.
Der Wasseruhr folgte die Sanduhr, und im Jahre 1335 wurde schließlich eine Räderuhr erfunden – die erste mechanische Uhr. Diese enthielt schon damals erste Grundelemente, die sich auch heute noch bei mechanischen Uhren finden lassen. Schon bei der Räderuhr wurden sich langsam nach unten bewegende Gewichte als Energiequelle genutzt, das ist auch heute noch bei vielen Stand- oder Kuckucksuhren der Fall.
Die Anfänge: Von der Taschenuhr zur Armbanduhr
Bei den ersten tragbaren Zeitmessern handelte es sich um noch relativ große Taschenuhren, auch als Sackuhren bekannt, die man oft an Ketten in der Westentasche verwahrte. Diese waren aber bei weitem noch nicht in der breiten Masse der Bevölkerung angekommen – hauptsächlich Adelige konnten sich die kostspieligen Luxusgegenstände leisten. Die einfache Bevölkerung hingegen musste sich an große Uhren an Kirchtürmen und auf Marktplätzen, die auch akustisch über die volle Stunde Auskunft gaben, orientieren.
Taschenuhren waren anfangs noch sehr groß, da sie sich nicht nach dem gleichen Prinzip wie große Standuhren bauen ließen. Sie wurden erst möglich, nachdem die zunächst in Türschlössern verwendeten Metallfedern als Energiespeicher für Uhren miniaturisiert und adaptiert wurden. Der Taktgeber für viele Wand- und Standuhren war früher das Pendel, dass mit einer festen Frequenz hin und her schwingt. In mechanischen Armbanduhren ist es hingegen die sogenannte Unruh, ein hin und her schwingendes Rädchen, die den Zeittakt vorgibt. 1773 kreierte Christiaan Huygens eine Uhr mit Spiralfeder und Unruh, die schon relativ klein und tragbar war. In Deutschland soll Peter Henlein der Erfinder der tragbaren Uhr sein. Dem Schlossermeister und Uhrmacher wird zugeschrieben schon 1511 Kleinuhren aus Eisen hergestellt zu haben, die sich überall hin mitnehmen ließen.
Die Geburtsstunde der ersten Armbanduhr: Historisches Schmuckstück
Als Erfinder der Armbanduhr gilt weithin der Schweizer Uhrmacher Abraham Louis Breguet. Im Jahre 1810 beauftragte Caroline Murat, Königin von Neapel und Schwester von Napoleon Bonaparte, Breguet damit ihr eine “längliche, für ein Armband geeignete Repetieruhr” zu erschaffen. Der Auftrag der historischen Armbanduhr wurde unter der Nr. 2639 vermerkt und umfasste insgesamt 34 unterschiedliche Fertigungsvorgänge, die von 17 Personen durchgeführt wurden. Ein Jahr nach Eingang des Auftrages ist es Breguet gelungen das Meisterstück fertigzustellen und möchte es der Königin für 4.800 Franc aushändigen. Diese ist mit dem Schmuckstück aber noch nicht ganz zufrieden und fordert statt dem guillochierten Zifferblatt aus Gold eines aus Silber. Am 21. Dezember 1812 ist es dann endlich so weit: die erste Armbanduhr wird an die Königin von Neapel übergeben.
Die für diese Zeit außergewöhnlich flache, ovale Repetieruhr besteht aus einem Blatt mit arabischen Ziffern aus Silber, einem Thermometer, einem Armband aus mit Goldfäden verflochtenem Haar und einem Aufzugschlüssel aus Gold. Als Hommage an den historischen Zeitmesser aus dem Jahr 1812 hat die Marke Breguet den Klassiker übrigens rund 200 Jahre später als limitierte Edition neu aufgelegt.
Auch wenn die erste Armbanduhr der Welt einer kleinen Sensation glich, fand die Uhr fürs Handgelenk mit sehr langsam Einzug in das gesellschaftliche Leben der Bevölkerung. Besonders für Männer, die ihre Zeitmesser bis dahin an einer Kette in der Westentasche trugen, war es undenkbar, solche als “weibisch” geltenden Armbänder mit Zeitanzeige zu tragen – Armbanduhren wurden hauptsächlich als Schmuckstück ansehen und weniger als tatsächliche Zeitmesser. Männer bevorzugten also nach wie vor Taschenuhren, die über die Jahre ebenfalls kleiner geworden waren und deren Ganggenauigkeit sich enorm verbessert hatte.
Bis in 20. Jahrhundert bevorzugten Männer Taschenuhren, während Frauen ihre Uhren meistens um den Hals trugen. Als nach 1900 jedoch mehr und mehr Frauen berufstätig wurden, mussten sie sich dem Takt der Industriegesellschaft anpassen – dabei war eine Uhr um den Hals alles andere als praktisch. Geregelte Arbeitszeiten und der Alltag im Büro verlangten den häufigen Blick auf die Uhr, die weibliche Angestellte nun am Handgelenk trugen. Aber auch Hausfrauen erkannten schnell die praktischen Vorteile einer Armbanduhr, nach denen kleine Kinderhände nicht so schnell greifen konnten, wie nach einer Kette.
Schließlich stellte sich auch für Männer heraus, dass sie elegante Geste des Uhr-aus-der-Tasche-Ziehens nicht in jeder Lebenslage praktikabel war. Flugpionier Alberto Santos-Dumont beispielsweise hatte den Wunsch beim Fliegen beide Hände benutzen, aber gleichzeitig auch auf die Uhr schauen zu können. Uhrmacher Louis Cartier entwarf daraufhin die Cartier Santos, die erste Armbanduhr für Herren und gleichzeitig die erste Fliegeruhr. Auch wenn die Uhr optisch nicht mehr viel mit den heute gängigen Fliegeruhren gemeinsam hat, ist die Cartier Santos noch immer Teil der zentralen Kollektion von Cartier.
Professionelle Armbanduhren und Fliegeruhren
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges erkannte auch das Militär die Vorteile von Armbanduhren, wodurch ihr Einsatz um viele Bereiche erweitert wurde, in denen freie Hände sowie gleichzeitig ein zeitlicher Überblick überlebenswichtig waren. Noch heute sieht man, dass vielen Serien ihren Ursprung im professionellen und militärischem Einsatz an. Serien wie die Breitling Navitimer sind mit Extras und zusätzlichen Funktionen ausgestattet, die Piloten damals die Navigation erleichterten: Die drehbare Rechenschieberlünette beispielsweise ermöglichte präzise Aviatik-Berechnungen direkt am Handgelenk, ohne auf zusätzliche Hilfsmittel zurückgreifen zu müssen. Heutzutage ersetzen Bordcomputer diese Funktion.
Auch wenn viele Armbanduhren für den professionellen Einsatz entworfen wurden, blieben sie nicht lange nur dem Militär vorbehalten und fanden schnell Anklang bei normalen Käufern. Doch die Ära der Taschenuhr war noch nicht ganz beendet: Lange Zeit herrschte eine Koexistenz von Taschenuhr und Armbanduhr vor. Da sich die Armbanduhr in ihren Funktionen und Präzision jedoch rasant entwickelte, stieg auch ihre Popularität gegenüber den historischen Taschenuhren. Dabei wurden die Armbanduhren weiterhin groß vom Krieg beeinflusst. Merkmale wie leuchtende Zeiger für eine bessere Ablesbarkeit, stoßsichere Gehäuse und kratzfestes Glas sind noch heute auf militärische Anforderungen zurückzuführen.
In den 1920er Jahren wurde die erste Automatikuhr entwickelt. Rolex machte mit seinem wasserdichten Oyster Gehäuse regelrecht Schlagzeilen und trug durch seine öffentlichkeitswirksame Werbung massiv zum allgemeinen Erfolg von Armbanduhren bei. Um die Wasserdichtigkeit des Oyster Gehäuses unter Beweis zu stellen, stattete Gründer Hans Wilsdorf die Schwimmerin Mercedes Gleitze bei ihrem Versuch den Ärmelkanal zu durchqueren mit einer Rolex aus. Auch wenn der Rekordversuch knapp an ungünstigen Wetterbedingungen scheiterte, trug Rolex einen großen Erfolg davon. Die Uhr überstand die Zeit im eiskalten Wasser nämlich völlig unbeschadet. 1931 machte Rolex wieder auf sich aufmerksam, als die Marke mit ihrer Oyster Perpetual die erste Uhr mit Selbstaufzug auf den Markt brachte.
Die Quarzkrise und die Folgen für die Uhrenindustrie
Doch nicht nur mechanische Uhren entwickelten sich immer weitere. Bereits in den 1930er Jahren wurde die erste Quarzuhr entwickelt. Die elektrisch betriebenen Modelle waren jedoch so sperrig und vor allem teuer, dass sie sich noch nicht für den Verkauf eigneten. Der eigentliche Durchbruch der Quarzuhr erfolgt im Zuge der Herausbildung der Halbleitertechnologie, die es Herstellern ermöglichte, Uhrwerke in verkleinerter Form anzufertigen. Mehrere Marken, darunter Seiko, Patek Philippe und Junghans präsentierten bald diese ersten Tischuhren mit Batteriebetrieb. Eine wirkliche Konkurrenz zu mechanischen Uhren waren diese aber noch nicht, dafür waren die elektrischen Uhren mit Batteriebetrieb noch immer viel zu teuer im Kaufpreis – das sollte sich aber bald ändern.
Die Entwicklung von Schaltkreisen für Teilerstufen mischte den Uhrenmarkt auf. In den 1970er Jahren erschienen somit eine Vielzahl elektrisch betriebener Armbanduhren, die ihre mechanischen Pendants in Ganggenauigkeit und Preisgünstigkeit um Längen übertrafen. Die Uhrwerke der Quarzuhren bestanden aus wenigen Teilen, wodurch die preiswert in der Produktion und in großen Stückzahlen gefertigt werden konnten. Die Seiko Astron war 1969 die erste elektrische Armbanduhr, die es im Laden zu kaufen gab. Daraufhin überschwemmten günstige Armbanduhren den Markt und lösten eine regelrechte Quarzkrise aus. Weltweit kämpften alteingesessene Uhrenproduzenten mit den Folgen. Mehrere Hersteller waren dem Quarzschock nicht gewachsen und mussten Konkurs anmelden oder verschwanden gleich ganz von der Bildfläche. In der Schweiz blieben 1970 von ursprünglichen 1600 Uhrenherstellern lediglich 600 übrig. Einige Marken versuchten sich dem Quarzboom anzupassen, Rolex beispielsweise präsentierte die Rolex Oyster Quartz, die bis heute erste und einzige Rolex mit einem Quarzuhrwerk.
Ende der 1980er Jahre erholte sich der Markt wieder langsam und mechanische Uhren gewannen wieder an Beliebtheit. “Swiss Made” wurde zu einem Statusmerkmal, das noch heute für Langlebigkeit, Ganggenauigkeit, und hochwertige Produktion steht. Auch wenn Quarzuhren weiterhin viel gekauft werden, strahlen mechanische Luxusuhren einen anderen emotionalen Wert aus, als ihre günstigeren Pendants. Handwerkskunst ist wieder zu einem Merkmal geworden, auf das Kunden Wert legen. Immerhin überdauern manche Luxusuhren dank der Verwendung exklusiver Materialien und ihrer hochwertigen Verarbeitung mehrere Generationen.
Ein Markt, der sich stetig wandelt
Wie am Beispiel der Quarzkrise zu erkennen ist, befindet sich die Uhrenindustrie in einem stetigen Wandel. Durch den Quarzschock haben selbst bekannte Traditionshäuser ihre Herstellungsverfahren überarbeitet und perfektioniert, um ihre Kundschaft weiterhin mit Präzision und Handwerkskunst zu überzeugen. Die Entwicklung und Entstehung der Armbanduhr zeigt also ganz deutlich, dass es sich um eine spannende, aber noch gar und gar nicht abgeschlossene, Geschichte handelt.